Chortitza
Mennonitische Geschichte und Ahnenforschung
Wie sich die ersten Mennoniten in Chortitza ansiedelten
Text von Anna Kulkowa. Aus dem Ukrainischen übersetzt und eingesandt von Juri Roshko
Der 20. Juli 2022 war ein Tag, an dem vor 233 Jahren die ersten Mennoniten zum ersten Mal in Chortiza bei Saporoshje angekommen waren. Darüber ist auf der Facebook-Seite des Nationalen aturschutzgebietes Chortiza zu lesen.
Historikern zufolge kam am Abend des 20. Juli 1789 ans Ufer der Insel Chortiza an der Mündung des Baches Musytschna eine große Gruppe von Menschen in europäischer Kleidung, die eine Sprache ähnlich dem Deutschen, aber etwas eine andere Sprache sprachen.
Kaum hatten sich die straßenmüden Reisenden für die Nacht niedergelassen, sahen sie auf dem Dnjepr ein kleines Boot mit einem sonderbaren Fremden in den Fünfzigern. Er war mittelgroß, gebückt, sah stämmig aus, ein barfüßiger Onkel mit langem Schnurrbart und einem dreifach geflochtenen Haarbüschel hinter einem Ohr, er trug ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln und eine blaue Pumphose mit Ösengürtel.
Als er sich den Karren näherte, grüßte der Mann und sprach auf Ukrainisch. Als er sah, dass er überhaupt nicht verstanden wurde, fluchte er, spuckte aus, stieg ins Boot ein, winkte mit den Rudern ab und sang laut – so die Mitarbeiter des Nationalen Naturschutzgebietes. Auf solche Weise fand das erste Treffen des Kosaken Matwij Schut (Dworjanenko) mit den mennonitischen Kolonisten statt.
Damit begann eine neue 127-jährige Periode in der Geschichte von Chortyzja.
Im heutigen Stadtbezirk Saporischschja gründeten die Mennoniten ihre erste Kolonie in der Ukraine, die in der 1. Hälfte des XIX. Jahrhunderts bereits 18 Dörfer hatte.
Das Zentrum dieser “Alten” Kolonie war das Dorf Chortiza am rechten Dneprufer. Heute ist das ein Teil des Stadtbezirks Dnipro von Saporoshje.
Zwölf mennonitische Familien, die sich in Chortiza niederließen, gehörten der friesischen Gemeinde an. Es ist interessant, dass die Inselbewohner in den ersten Jahren keine Dörfer auf der Insel errichteten, sondern wie in Preußen entlang des Neuen Dnjeprs in kleinen Familienbetrieben lebten.
Als Erinnerung an diese Zeit blieb auf Chortiza der Name Kornij-Bach erhalten, den die Mennoniten Ens-lecht (Ens-Bach) nannten. Hier war einst das Gehöft des Pionierkolonisten Cornelius (Cornius) Ens.
Sehr bald erkannten die “Deutschen”, dass es viel bequemer war, gemeinsam auf der Insel zu leben, und gründeten das Dorf Insel Chortiza (Insel Chortiza oder Kampe).
Die lange 127-jährige mennonitische Periode der Inselgeschichte, einst fast aus dem Gedächtnis der Anwohner ausgelöscht, kehrt allmählich aus dem Vergessen zurück. Wie die “Industrialka” bereits erwähnte, sind die Mennoniten Vertreter der protestantischen pazifistischen Kirche, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand und nach dem niederländischen Prediger Menno Simons (1496-1561) benannt wurde. Sie kamen aus dem Bezirk der Stadt Danzig am Unterlauf der Weichsel zu uns, um der unangenehmen Aussicht zu entgehen, unter die Herrschaft des militaristischen Preußens zu geraten.
Vor 233 Jahren kamen die ersten Mennoniten nach Chortiza bei Saporoshje. Es sei darauf hingewiesen, dass die Ukrainer die Kolonisten normalerweise “Deutsche” nannten, weil bereits im 18. Jahrhundert ihre Schriftsprache Deutsch war. Im Alltag verständigten sie sich jedoch im sogenannten Mennonitischen Platt (Platdeutsch, Niederdeutsch), das viele niederländische Elemente bewahrte. Nach ihrer Abstammung waren die Kolonisten Flamen und Friesen und wurden dementsprechend in zwei Kirchengemeinden aufgeteilt: die größere war flämisch auch Chortizaer genannt, und die viel kleinere war friesisch oder Kronsweider.