Chortitza
Mennonitische Geschichte und Ahnenforschung
Cornelius Hübert an Bertha von Suttner
Cornelius Hübert Brief[1] an Baronen Bertha Felicie Sophie von Suttner[2]
Transkription: Hermann Schirmacher
Cornelius Hübert
Alexandrowsk, Gouv. Jekaterinoslaw, den 18/30 Nov. 1896/VII.
Geehrte Frau Baronin!
Beehren mich, wertgeschätzte
Frau Baronin inliegend Ihnen einen Ausschnitt aus No 255 der Odessaer Zeitung vom 13/25 Nov d. J. [1896] zu übersenden, enthaltend einen Aufsatz des Generals Dragomirow[3], in welchem derselbe den Beweis zu liefern scheint, daß die Kriege nicht aufhören können.
Da nun ich wie auch alle Friedensfreunde den heißesten Wunsch hegen zu ermöglichen, daß dieses als notwendig gehaltene Übel – der Krieg- je eher je lieber möchte beseitig werden können, so würde der Glaube an diese Möglichkeit in erneuten Kraft sich mit großer Schnelligkeit verbreiten und dann der “Sieg werden der die Weltüberwunden hat” wenn sich eine gewandte Feder fände, welche imstande wäre die Ausführungen des Generals, der übrigens den Krieg an und für sich ebenfalls verabscheut, gründlich zu widerlegen.
In dieser Hoffnung übersende ich Ihnen den erwähnten Artikel und verharre in voller Hochachtung ergebenst Cornelius Hübert
P.S des Grafen L. Tolstoj’s Universalmittel zur Beseitigung der Kriege resg. zur Herstellung eines glückseligen Lebens für die Menschheit auf Erden besteht einfach in der nicht schweren (?) Befolgung der Lehre Christi in dem Sinne, wie er sie versteht, nachdem er endlich die Wahrheit gefunden und erkannt hat, wozu Christi Ausspruch über das „Nichtwiderstreben dem Übel“ ihm als Wegweisender Schlüssel gedient hat…
Deshalb gerade als ich diese Brief auf die Post schicken wollte, wurde ich veranlasst, denselben
wieder zu öffnen, nun in Eile noch eine Nachschrift hinzuzufügen:
Ich bin Mennonit und wohne unter Mennoniten, einer Secte, die sich zu den wehrlosen Christen zählen, daher den Militärdienst aus religiösen Gründen verweist und hier auch Gott sei dank!, vom Dienst in der Fronte [nicht sicher?] bis jetzt befreit ist.
Nun ist es hier in den Mennoniten Kolonien bekannt, dass ich Ihre geschätzte Monatsschrift “Die Waffen nieder” halte, auch Ihren unübertrefflichen gleichnamigen Roman besitze und ihre Friedens =Idee huldige. Da erhielt ich soeben die Anfrage von einem intelligenten Mennoniten, ob ich auch den Artikel von Dragomirow gelesen habe. Das will heißen: Siehst du, nun wird‘s dir doch mahl klar werden, dass die Friedensfreunde im Irrthume sind u.s.w. Wenn edhe[?] wirklich ein gediegener Gegenbeweis in “Die Waffen nieder!” erscheint, was mir unaussprechliche Freude verursachen würde. Dann lasse ich die Erwiderung unbedingt in der Odessaer Zeitung wegradieren, wenn es irgend möglich ist.
[1] https://archives.ungeneva.org/hubert-cornelius-alexandrovsk-russia
[2] Sie war Privatsekretärin von Alfred Nobel und wurde 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgestattet: https://de.wikipedia.org/wiki/Bertha_von_Suttner
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Michail_Iwanowitsch_Dragomirow
Baronin Bertha Felicie Sophie von Suttner wurde am 9. Juni 1843 als Gräfin Kinsky in Prag geboren. Sie war die posthume Tochter eines Feldmarschalls.
Im Alter von dreißig Jahren trat sie eine Stelle in Wien an, wo sie die vier Töchter des Hauses Suttner als Lehrerin und Gesellschafterin betreute. 1876 ging sie nach Paris, um Sekretärin von Alfred Nobel zu werden, kehrte aber zurück und heiratete Baron Arthur Gundaccar von Suttner, den Sohn der Familie.
Da die Suttners die Heirat scharf missbilligten, zog das junge Paar sofort in den Kaukasus, wo es neun Jahre lang mit Sprach- und Musikunterricht und schließlich mit dem Schreiben ein oft prekäres Auskommen fand.
1885 kehrten die Suttners nach Österreich zurück, wo Bertha die meisten ihrer Bücher, darunter auch ihre zahlreichen Romane, schrieb.
Durch einen Freund erfuhren die Suttners dann von der “International Arbitration and Peace Association” in London, die als konkretes Arbeitsziel hatte, was sie nun beide als Ideal akzeptierten: Schiedsgerichtsbarkeit und Frieden anstelle von Waffengewalt. Bertha von Suttner wollte der Friedensliga mit einem Buch, das ihre Ideen verbreiten sollte, einen Dienst erweisen und schrieb einen Roman, dessen Heldin alle Schrecken des Krieges erleidet: “Die Waffen Nieder”, der 1889 erschien.
Seitdem engagiert sie sich aktiv in der Friedensbewegung, nimmt an Friedenstreffen und internationalen Kongressen teil, hilft bei der Gründung von Friedensgruppen, wirbt um Mitglieder, hält Vorträge und korrespondiert mit Menschen in aller Welt, um Friedensprojekte zu fördern. 1891 nahm sie am ersten Internationalen Friedenskongress teil und legte den Grundstock für die Gründung des Internationalen Friedensbüros Bern.
1892 gründete sie zusammen mit A. H. Fried die Friedenszeitschrift “Die Waffen Nieder”, deren Herausgeberin sie bis Ende 1899 blieb und die dann durch die “Friedenswarte” (herausgegeben von Fried) ersetzt wurde, für die sie regelmässig Kommentare zum Zeitgeschehen schrieb. Sie beeinflusste Alfred Nobel bei der Schaffung des Friedenspreises.
Gemeinsam mit ihrem Mann setzte sie sich auch für die Unterstützung des Zarenmanifests und der Haager Friedenskonferenz von 1899 ein.
Als sie 1905 den Friedensnobelpreis erhielt, galt sie weithin als diejenige, die gemeinsam mit Frederic Passy die Führung der Friedensbewegung innehatte.
Sie starb am 21. Juni 1914, zwei Monate vor dem Ausbruch des Weltkriegs, vor dem sie gewarnt und gegen den sie gekämpft hatte. Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Quelle: https://archives.ungeneva.org/bertha-von-suttner-3