Am Ende die Freiheit – Jakob Martens

Durch Zarenreich und Sowjetunion nach Südamerika – Neu herausgegeben von Berthold Kliewer. Siehe Youtube Video dazu hier.

Jakob Martens
(*1897 in Petrowo/Ukraine, †1978 in Filadelfia/Paraguay)

Als zweites von 13 Geschwistern wurde Jakob Martens 1897 in Petrowo/Ukraine geboren. Nach der Ansiedlung der Familie im Dorf Grünfeld, das zur neuen Kolonie Baratow-Schlachtin (Oblast Dnepropetrowsk) gehörte, wuchs er in einer typisch deutsch-mennonitischen Umgebung auf, die von Landwirtschaft geprägt war.

Tätige Mithilfe auf dem elterlichen Bauernhof von frühester Jugend an waren in dieser Gesellschaft selbstverständlich. Eine solide Schulbildung, wenn möglich auch auf weiterführenden Schulen, oder gar ein Studium gehörten zu den erstrebenswerten Zielen der Siedlerkinder. Jakob Martens beschritt diesen Weg als Sohn eines wohlhabenden Bauern bis zum Abschluss der 10. Klasse in der sogenannten Zentralschule in Chortitza. Da noch weitere Geschwister die Schulen besuchten, die von den jeweiligen Familien finanziert werden mussten, war die Aufnahme eines Studiums mit Hindernissen belegt. Zudem unterbrachen die politischen Ereignisse vielfach die Pläne der jungen Generation.

Als freiwilliger Sanitäter ging der Siebzehnjährige im Ersten Weltkrieg nach Moskau. Bald darauf trat er den regulären Ersatzdienst in den Forstanlagen Russlands an. Nach deutscher Besetzung, Bandenterror und Revolution erfolgte die Verhaftung und die fünfjährige Verbannung als Kulak. Im anschließenden Kolchoseaufenthalt fand er sein bescheidenes Auskommen und konnte seiner verwitweten Schwester mit fünf Kindern in ihrer schwierigen Situation Beistand leisten.

Wohin immer das Schicksal Jakob Martens verschlug, stets vertraute man ihm verantwortungsvolle Aufgaben an. Dies galt sowohl für das Elternhaus, den Ersatzdienst, das Arbeitslager, während der Flucht in den Westen sowie schließlich in der Verwaltung der Kolonie Fernheim im Chaco Paraguays. Sein freundliches und korrektes Wesen erbrachtem ihm immer die Anerkennung und Freundschaft seiner Mitmenschen.

Zum Inhalt

Wir schreiben das Jahr 1932: In der Dachkammer des Deutschen Konsulats in Leningrad wartet der 34-jährige Jakob Martens auf die Ausreisegenehmigung in den Westen zu seiner bereits aus der Ukraine geflohenen Familie. Hinter ihm liegt die Erfahrung des Ersten Weltkriegs, der Terror anarchistischer Banden, der Bürgerkrieg, die Drangsalierung durch die Bolschewisten und schließlich die Verbannung als Kulak in die Arbeitslager im nördlichen Russland.

Eine gefahrvolle Flucht zu Fuß aus einem Hungerlager durch die winterliche Landschaft hat ihn bis ans Tor zur Freiheit, Leningrad, gebracht. Noch weiß er nichts von seiner erneuten Verhaftung, der Odyssee durch mehrere Gefängnisse und den endlosen Verhören durch die sowjetischen Geheimpolizei GPU in Archangelsk am Weißen Meer. Dort wird er eine Kollaborationsvereinbarung trotz Aussicht auf Freilassung und sogar unter Todesandrohung ablehnen.

Wieder verurteilt, kommt er zusammen mit hunderten weiterer Verbannter unter unvorstellbaren Bedingungen in einem Kohlefrachter über das Weiße Meer in ein Schweigelager nahe dem nördlichen Ural. Hier übersteht der Verbannte zwei lebensbedrohliche Erkrankungen und kommt schließlich nach fünfjähriger Lagerhaft frei.

Als Arbeiter in einem Kolchos erlebt Jakob Martens die Invasion der deutschen Wehrmacht. Mit ihrem Rückzug tritt er in einem großen Flüchtlingstreck die abenteuerliche Reise in den Westen an. Im letzten Moment gelingt die Flucht aus der sowjetisch besetzten Zone nach Westfalen. Aus dem völlig zerstörten Deutschland reist er nach einiger Zeit zu seiner Familie in den Chaco Paraguays, von der er 19 Jahre getrennt war. Hier findet Jakob Martens schließlich die Ruhe, seine in früheren – aber verloren gegangenen – Tagebüchern festgehaltenen Erlebnisse erneut niederzuschreiben.

Die im eher sachlichen Stil gehaltenen präzisen Schilderungen lassen ein vielschichtiges Bild des Lebens in den deutschen Siedlungen der Ukraine, des sowjetischen Gulag und seiner Menschen in ihrer jeweiligen Größe und ihren Schattenseiten aufscheinen. Die schiere Abfolge der Ereignisse zieht den Leser in seinen Bann und lässt ihn mit dem Zeitzeugen aus fünf Jahrzehnten bis zum Schluss mitfiebern.

Weitere Informationen siehe: http://www.kliewer-verlag.de/

Hermann Schirmacher

Hermann Schirmacher

Ich bin Hermann Schirmacher und komme aus Paraguay. Ich liebe die Familiengeschichte, Bilder und Dokumente von unseren Vorfahren. Familiennamen die mich besonders interessieren sind Pries, Rogalsky, Loepp
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