Lebenslauf von Maria Neufeld

Ich, Maria Neufeld, geborene Fröse wurde am 13. Juli 1895 in Einlage, Süd-Russland geboren.
Meine Eltern waren Jakob Abram Froese, geboren 1852, November 5, und Susanna, geborene Hamm 1855, Januar 16 in den Ehestand getreten 1875, November 2.

Unsere Eltern hatten 12 Kinder, davon 6 im Kindesalter starben. Ich hatte also 5 Geschwister, mit denen ich aufgewachsen bin: Abram, Katharina, Susanna, Jakob und Anna.                                            

Vater war Bauer, aber nebenbei auch Baumeister. Er hat viel gebaut. Später wurde er Teilhaber an der sogenannten “Gesellschaftsmühle, die 5 Einlager Bauern zusammen bauten. Es waren dies: Jakob Schellenberg, Abram Paetkau, Abram Klassen, Kornelius Hildebrandt u. Jakob Froese.

Eine Begebenheit aus frühster Kindheit ist mir klar in Erinnerung. Mutter verbrühte mir ein Händchen. Es kam so: ich saß auf ihrem Schoss, während sie den andern, wie es damals Sitte war, die Tassen vollgoss. Wie es gekommen,-irgendwie kam mein Händchen unter den heißen Kaffeekessel, und das Unglück war geschehen. Ich bekam einen sehr dicken Arm.

Aus der Schulzeit kann ich mich schon an mehr erinnern. Wir hatten bis zur Schule ziemlich weit zu gehen. Bei gutem Wetter gingen wir zu Mittag nach Hause, aber im Winter nahmen wir Essen mit, u. aßen in der Schule mit den vielen andern zusammen unser Mittagsbrot. Wir freuten uns immer dazu; es gab dann eine so viel längere Mittagspause zum Spielen. Wie die meisten Kinder, gingen auch wir auf “Schlorren” zur Schule.

Unsere Schule hatte etwa 200 Schulkinder. Sie wurden von 5 Lehrern unterrichtet. Die Schulzeit währte 6 Jahre. Nach Beendigung derselben mussten die Schüler “Examen machen”. Das war für die betreffenden Schüler ein großes Ereignis. Das Examen wurde im Nachbardorf, Chortitza gemacht. Dahin kamen an dem bestimmten Tag die Schüler aus den verschiedensten umliegenden Dörfern. Sie standen dann in Gruppen herum und warteten bangen Herzens, bis die Reihe an sie kam. Ging alles gut, dann fuhr man froh nach Hause. Wenn aber nicht, dann……

Anno 1913, den 14.Juli starb meine Mutter. Ich war 18 Jahre alt, u. hatte nun den Haushalt zu führen; Vater, Jakob,u. Anna zu betreuen.

Im Mai 1915 ging ich zum Katechismusunterricht, der an den Sonntagnachmittagen stattfand. 0, das waren selige Stunden der Gemeinschaft u. Vertiefung in Gottes Wort anhand des Katechismus, den wir auswendig lernen mussten. Am Himmelfahrtstag u. am letzten Sonntag vor Pfingsten mussten wir vor versammelter Gemeinde den Katechismus “aufsagen”. Ein mancher war dann ziemlich aufgeregt.

Das Taufest fand in der Hauptkirche, in Chortitza statt. Der altehrwürdige Älteste, Isaak Dück vollzog an den über 100 Täuflingen die heilige Taufe. Es war eine erhebende Stunde, die ich nicht vergessen werde! Aus Einlage, Neuenburg, Neuendorf, Chortitza, Osterwick u. anderen Dörfern waren sie gekommen, um hier im Beisein der Eltern inmitten der großen Gemeinde mit dem Herrn den Bund fürs Leben zu schließen.

“Der Anfang, das Ende, – O, Herr, die sind dein; Die Spanne dazwischen, das Leben, war mein.         Und irrt ich im Dunkeln u. fand mich nicht aus, Bei dir, Herr, ist Klarheit; und Licht ist dein Haus.”

Will etwas zurückgreifen u. erzählen, wie wir damals, als ich noch zur Schule ging, Weihnachten feierten. Es fing damit an, dass wir Einen Weihnachts-u. Neujahrswunsch für die Eltern schreiben u. auswendig lernen mussten. Wir mussten uns sehr bemühen so hübsch wie eben möglich zu schreiben, den die geschriebenen “Wünsche” mussten wir dem Lehrer abgeben u. bekamen sie dann am Heiligen Abend in einem schönen “Wunschdeckel” eingeheftet als Geschenk für uns u. die Eltern wieder zurück.

Zu gleicher wurden auch Gedichte u. Weihnachtsgespräche verteilt für ein Weihnachtsprogramm. Das ging nicht immer ohne Tränen ab, weil nicht alle Kinder ein Gedicht “bekommen” konnten oder an einem Gespräch teilnehmen. Es waren zu viel Kinder. Geübt wurde wohl meistens nach Schulschluss.

Uns Kindern dauerte es viel zu lange, bis es endlich Weihnachten war. Schon früh’ ging es am Heiligen Abend zur Kirche. Alle hatten ihre Sonntagskleider an. Erst ging’s noch zur Schule, (Schule u. Kirche waren auf einem Hof) da versammelten wir uns, u. gingen dann, immer zwei u. zwei, zur nahen Kirche. Die war bis auf den letzten Platz gefüllt. In einer Ecke, vorne stand ein großer, wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum mit unzähligen Lichtern dran. Es waren Talglichter, ie etwas später von zwei Männern angezündet wurden. Sie hatten jeder einen langen Stock mit einem brennenden Licht daran befestigt, so das sie bis oben hin konnten. Die Spitze des Baumes zier= te ein Engel.0, wie strahlten die Augen der Kinder, besonders wenn sie am Programm beteiligt waren, oder auch bei m Singen der schönen Weihnachtslieder! Auch die Jugend u. die Gemeinde beteiligten sich am Programm mit Singen, kur 1, kurzer Predigt u. Gebet. Und dann ging’s an das Austeilen der Wunschdeckel u. Weihnachtstüten. Für die kleineren Kinder war das wohl der Höhepunkt von allem!

Dann zu Hause all die Heimlichkeiten! Wir sagten unseren Weihnachtswunsch auf; und dann ging es in die “Große” Stube, wo der Weihnachtsbaum angezündet war. Ein jeder erhielt sein Geschenk, Außerdem noch eine Schüssel voll Naschwerk: Pfefferkuchen, Konfekte, Nüsse usw. Es war schön!

Ich habe vergessen von den sogenannten “Wenschasch” zu erzählen. Das waren Russische auch deutsche Kinder ärmerer Leute; die kamen schon am Nachmittag und bis Abend” wünschen”.            Sie bekamen immer etwas, einerlei, wie viele da kamen. Sie kamen auch schon in aller Frühe am Weihnachtsmorgen, und so auch am Silvesterabend u. Neujahr. Des Morgens gingen auch größere Jungens u. Mädchen “wünschen”, meistens russische. Oft hatten sie einen prachtvollen, in allen Farben glitzernden Stern; den drehten sie auf einer Stange beim Singen; das machte sich wunderschön.

Am Neujahrsmorgen war es bei den Russen Sitte, beim Glück wünschen immer etwas von dem dazu mitgebrachten Getreide dem Hausherrn oder seiner Frau etwas hinzustreuen. Das sollte Glück bringen. Sie sangen dazu auch immer ein passendes Lied. Das alles gehörte unbedingt auch zu “Weihnachten. Neujahr. Ohne diese “Wenschasch” wäre es nicht vollständig gewesen.

Auch wir sagten am Neujahrsmorgen den gelernten Neujahrswunsch auf.

Auch dann gab es ein kleines Geschenk oder ein Geldstück. Selige Kindheit; liebes, trautes Elternhaus!

Als Vater das “Wirtschaften” aufgab, baute er ein neues Haus. In diesem schönen, gemütlichen Haus durften wir noch mit Mutter zusammen einen Winter verleben. Es wurde an den langen Abenden viel gelesen. Mutter u. ich machten Handarbeiten, während einer von den andern vorlas. Wir taten das umwechselnd.

Dann im Sommer, Juli Monat starb Mutter. Nachdem Bruder Jakob sich verheiratet hatte, wurde uns das neue Haus bald zu groß. Wir wohnten noch einen Winter in demselben, u. zogen dann zu Schwester Katharina Peters, deren Mann, Abram Peters, ein Opfer des ersten Weltkrieges wurde. Vater starb anno 1920 an Typhus. (Davon noch später).

Etwas aus unserem Eheleben.

Wir wurden im Jahre 1918 am 12. August in der Kirche zu Einlage aufgeboten. Am 26. August ” hatten wir Hochzeit. Die Gäste waren zu 4 Uhr eingeladen. Die Hochzeit fand bei Geschwister Abram Peters in der Scheune statt. Viele Gäste waren gekommen.

Getraut wurden wir von Prediger Heinrich Peters, Kronsweide.

Unser Trautext steht im 119 Psalm, Vers 94: “Ich bin dein, hilf mir! Denn ich suche deine Befehle.”

Es waren noch 3 Paar Brautleute:

Daniel Hildebrandt u. Katherina Wieler; Peter Prenner u. Käthe Wieler u. Jakob Koop U. Anganetha Niebuhr. Renner u. Kaethe.

 Zu Vesper gab es Kaffee u. Zwieback. Des Abends wurde sehr gespielt. Bald danach wurden noch Arbusen gegessen mit Kuchen dazu, Kranz u. Schleier abgenommen; die Hochzeit war zu Ende. Mit Gott “Kranz voller Hoffnung begann nun unser Ehestand.

Wir zogen nach Neuenburg, zu Kornelius seinen Eltern. (Neuenburg war etwa 7 Meilen von Einlage entfernt) Verlebten mit Eltern u. Geschwistern: Gerhard, Peter u. Mariechen einen schönen Winter.

Im nächsten Sommer im August wurde uns unsere erste Tochter geboren. (August 12,1919). Es war eine große Freude; der Herr half wunderbar. Ihm sei Lob u. Dank dafür!

Im Oktober desselben Jahres starb Kornelius sein Vater an Blasenleiden. Im Winter 1919 kam der Typhus u. forderte viele Opfer. So auch Schwester Marie. Sie war 18 Jahre alt. Wir zogen ihr ein weißes Kleid an und schmückten ihr Haar mit einem Kranz.

 Am Heiligen Abend starb Mutter an Unterleibtyphus.

Den Typhus hatten uns die “Machnowzen” gebracht, die schon seit 3 Monaten schrecklich in unseren Kolonien ihr furchtbares Wesen trieben. Uns wurde al les weggenommen; in den Nachbardörfern wurden viele Menschen auf die grausamste Art umgebracht. Wir lebten in dem Winter sehr knapp.

Kornelius erkrankte auch. Er hat 9 Wochen schwer krank darnieder gelegen, wurde aber wieder gesund, wo so viele starben. Dank dem himmlischen Vater.

Ich erwähnte schon, dass mein Vater 1920 starb. Es war am 20. Februar, als so viele an Typhus starben. Er hatte sich lange verstecken müssen, um nicht misshandelt oder getötet zu werden. Er durfte ruhig in seinem Bett sterben. Ich konnte ihn noch einmal sehen; wir konnten auch beide zum Begräbnis fahren.

Bald darauf zogen wir von Neuenburg nach Einlage ins Elternhaus. Im nächsten Jahr-1921-wurde unsere Lena Geboren. Ich war im Hospital.

Im Winter 1921 brach die Hungersnot aus. Ach, wie tut der Hunger so weh! Viele Menschen starben vor Hunger. Wie haben wir nach Canada nach Hilfe ausgeschaut! Es wurde dann in der Kirche erzählt, ein Schiff mit Lebensmitteln sei losgefahren. Es dauerte doch noch lange. Es starben immer mehr Menschen. Endlich war die Hilfe da. In der Schule wurde eine “Küche” eingerichtet. Einmal den Tag wurde denen, die am schlimmsten dran waren, eine Mahlzeit verabreicht.

An einem Tag gab es: 1 Zwieback u. 1 Portion Bohnensuppe;

am andern Tag:           1 Zwieback u. 1 Portion Kakao

dritten Tag:                   1 Zwieback u. 1. Portion weiße Grütze usw.

Ich bin mit meiner Erzählung etwas vorausgeeilt. Wollte noch einiges mehr über den schweren Winter 1919-1920 erzählen. Ich sagte schon, dass uns die Banden, am meisten die Machnowazy, alles weggenommen hatten. Das war nicht das Schlimmste; wenn sie die Menschen nicht so furchtbar gequält hätten u. gemordet! Und dann die ständige Einquartierung dieser Banditen!       Für sie musste vom frühen Morgen bis in die Nacht gekocht, gebraten u. gebacken werden. Wehe dem, der es wagen würden, sich zu widersetzen! Um Neujahr mussten sie den Roten weichen; u. es wurde ein bisschen leichter. Aber mit der Typhusepidemie wurde es nun erst so recht schlimm.

Von Kornelius schwerer Krankheit habe ich schon erwähnt, aber nicht, dass mit ihm zugleich auch ich u. Gerhard an Typhus erkrankten. Peter pflegte uns. Unser 4 Monate altes Töchterchen, Mariechen wurde von lieben Menschen gepflegt.

Um die Weihnachtszeit sah es bei uns besonders schlimm aus. Da erbarmte sich unsere Nachbarin u. brachte uns ein großes Roggenbrot u. etliche Sirup-Pfeffernüsse. Wie haben wir uns gefreut und gedankt! Das Roggenbrot damals schmeckte uns viel besser als heute das feinste süße Weihnachtsgebäck.

An Andacht halten war in jenen Weihnachtstagen nicht zu denken. Überall nur Kranke. Es konnte auch nicht für jeden Toten ein Grab gegraben werden; es fehlte an gesunden Männern, dies tun zu können. Man grub ein Grab u. höhlte unten an beiden Seiten ein Loch aus, groß genug, um einen Sarg hineinschieben zu können. So konnten in einem Grab 3 Tote beerdigt werden.

In Neuenburg starben 75 Personen, oft beide Eltern. An ein richtiges Begräbnis war nicht zu denken. Auch mit den Särgen war es schlimm bestellt. Für Mutters Sarg wurden Bohlen aus dem Stall genommen. Zu dem Begräbnis (es war noch mehr am Anfang des großen Sterbens) kam ein Prediger u. einige Nachbarn, und der Prediger hielt eine Ansprache. Kornelius war so weit gesund, er konnte schon aufsitzen, aber zum Kirchhof durften wir noch nicht. Es war ein schwerer Winter.

Arm ist nicht, der nichts hat, Arm ist, der nichts gibt.

Mit der Eröffnung der amerikanischen Küche kam wieder mehr Leben in unsere Dörfer. Das vor Hunger sterben, wurde weniger oder hörte ganz auf. Auch der Typhus wurde immer seltener. Nur mit dem Bestellen der Felder sah es sehr traurig aus. Fast keine Pferde, u. die paar waren so schwach, zum Jammern. Wer eine Kuh hatte, spannte diese vor den Pflug. So auch Kornelius u. Bruder Jakob. Jeder hatte eine Kuh. Die wurden “eingebrochen” u. vor Wagen u. Plug gespannt. Dass es mit der “Saatzeit” nur langsam vorwärts ging, lässt sich denken. Aber wir hatten ja auch nur ein paar Acker zu besäen. Es war keine Saat da, außer etwas Kukurus (Mais) u. Hirse. Und das bisschen, was wir ernteten, mussten wir fast alles an die Regierung abgeben.

Immer mehr wurde von Auswandern nach Canada gesprochen. Auch wir meldeten uns. Was das alles auf sich hatte, davon werde ich nicht weitererzählen. Lange nicht alle durften auswandern, welche gerne ziehen wollten. Wir gehörten zu den Glücklichen; wir durften auswanden: nach Canada. Davon will ich jetzt Einiges erzählen.

Die Auswanderung – 1923.

Nach vielen Vorbereitungen, und schwerem Abschied war es am 12. Juli so weit: Kornelius Neufeld u. seine Frau Maria, geborene Froese durften mit ihren 2 Töchterchen, Maria 4 Jahre u. Helena – 2, auswandern. Hören wir nun, was Mutter darüber zu erzählen weiß.

Auf den Chortitzer Bahnhof wurden wir zu je 4 Familien in rote, sogenannte Viehwagone eingeladen. Wir richteten es uns darin ein, so gut es eben möglich war. Der Abschied von der trauten Heimat, von der Gemeinde u. von allen unsern Lieben war ungemein schwer. Wir waren aus unserem beiderseitigen Geschwisterkreis die Einzigen, die da fuhren. Manche Träne wurde geweint.

Als wir langsam von der Station losfuhren, sangen die Zurückbleibenden sich und uns zum Trost das schöne Lied:” Befiehl du deine Wege u. was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege, des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft u. Winden, gibt Wege, Lauf u. Bah/l, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

So verließen wir die liebe ” Alte” Heimat u. fuhren der weitentfernten – “Neuen” Heimat entgegen, Wir fuhren als sogenannte “Kreditpassagiere”, das heißt, blieben die Reise schuldig. Das wenige Geld, das wir vom Ausruf eingenommen hatten, reichte nur, um die Fahrt bis zur Grenze zu bezahlen.

Wir fuhren nur langsam. Wenn der Zug auf längere Zeit anhielt, dann stiegen wir gerne aus; dann wurde gewaschen, gekocht u. was sonst zu tun war und im Freien gegessen. Bald gings wieder weiter, der Grenz zu. Auf der Grenze (Sebesg) wurden alle unsere Sachen kontrolliert, und als wir erst durch das rote Grenz Tor gefahren waren, atmeten wir erleichtert auf. Wie lange es nun noch dauerte, bis wir zum Hafen kamen, weiß ich nicht mehr. Zwei Tage fuhren wir auf dem Schiff auf der Nordsee, nach England zu. Viele wurden hier schon seekrank.

In England standen wir 2 Tage. Das Schiff wurde beladen; wir waren unser 700 Personen Mennoniten. Die Besatzung war englisch. Es war ein verhältnismäßig kleines Schiff. Wir waren im Zwischendeck untergebracht. Alles war ein großer Raum; wir mussten uns von Decken Wände ziehen. Die Männer waren auf dem andern Ende. Wieder waren viele krank.

So fuhren wir eine ganze Woche auf dem großen Wasser, dem Ozean. Nur Himmel u. Wasser. Eine Nacht standen wir; es war ungemütlich; Es war nebelig u. Eisberge in der Nähe, u. Gefahr für das Schiff. Aber die Nacht ging ohne Unglück vorüber, u. wir waren dem Herrn von Herzen dankbar.

Ich und die Kinder sind nicht krank geworden, aber Kornelius stand hinten, wo die Wellen hoch gingen u. musste auch “Fische Füttern.” Als wir in Quebeck an Land kamen, wurden wir sehr untersucht, hauptsächlich die Augen. Wer gesund war, durfte weiterfahren, per Zug ins Innere des großen unbekannten Landes Canada hinein.

Dieser Zug hatte schöne Wagone, Passagierwagone. An einem Tag, es war ein Sonntag, hielt der Zug an u. wir durften Andacht halten. Wir stiegen alle aus, stimmten ein Lied an u. sangen aus vollem Herzen. Dann wurde von einem Prediger eine Predigt gehalten; wir bestiegen wieder den Zug, u. die Fahrt ins Ungewisse ging weiter.

Wir fuhren bis Rosthern in Saskatchewan. Hier hatten unsere Mennoniten Vorkehrungen getroffen, uns alle aufzunehmen u. unterzubringen. Wir kamen auf eine Farm zu Peter Heinrichs, 2 Meilen von dem Städtchen Hague entfernt. Weil es gerade Erntezeit war, bekamen die Maenner gleich Arbeit. Wir blieben bei Heinrichs 8 Monate. Kornelius half mit dem Einbringen der Ernte, u. im Winter mit Vieh besorgen u. was sonst vorkam zu tun. Wir hatten das Mittessen, u. “eine große Reiseschuld

Dann wurde für die eingewanderten Mennoniten Land gekauft, und wir zogen mit noch anderen nach Flaxcombe. Da waren wir nur einen Winter, dann ging der Kauf zurück. Im Frühjahr wurde bei Milden Land gekauft. Wir schnürten unsere Ränzel, u. weg ging es nach Milden. Es war sehr gutes Land, aber teuer gekauft mit Ernte abzahlen. Wir waren unser 16 Familien u. hatten eine schöne Gemeinschaft. Alles hätte sehr gut gehen können, wenn nicht so vieles gegen uns gewesen wäre. Zudem war ja gerade die Berüchtigte” Depressionszeit” angebrochen u. machte ein normales Fortkommen unmöglich. Die halbe Ernte mussten wir ja laut Kontrakt Jährlich abgeben u. die andere Hälfet wollte nicht zureichen für Saat, Futter u. alles andere Ausgaben. Nach 6 Jahren verließen uns 11 Familien. Wir andern blieben noch 1 Jahr, doch dann sahen auch wir uns genötigt, die schon recht liebgewonnene Scholle zu verlassen.

Das war im Jahre 1931. Wir waren bereits 8 Jahre in Canada u.hatten so manches gelernt oder erfahren. Da war, z. B. das Jahr, als wir eine große Ernte stehen hatten u. ein Hagelsturm alles vernichtete, Feld auch Garten. Doch immer half der liebe Gott, u. wir waren von Herzen dankbar.

Unsere Familie hatte in den Jahren auch Zuwachs erhalten: Uns wurden 2 Söhne und eine Tochter geboren. Das allein schon veranlasste uns immer wieder zu Lob und Dank.

“Hüllt eine finstere Wolke dich ein, musst nicht erschrecken, du bist nicht allein. Darfst nur vertrauen,- einst wird’s offenbar, Dass Gottes Hand die Wolke war.”

Anno 1931 verließen wir Milden u. zogen nach Hague, wo wir von einem Franz Peters 2 Viertel Land gepachtet hatten. Es war 7 Meilen von dem Städtchen Hague u. eine Meile von dem mennonitischen Dörfchen, Hochfeld; dicht bei dem Schulen. Die Kinder brauchten nun nicht mehr Mittagessen mitnehmen, kamen zu Mittag nach Hause.

Als wir von Milden weggingen, durften wir 7 Pferde, 2 Kühe und alles Inventar mitnehmen. Hier bei Hague haben wir 19 Jahre gewirtschaftet. Im Ganzen, 30 Jahre. Es war nicht immer leicht, nein, manchmal schwer u auch sehr schwer, aber wir wurden vor Krankheit bewahrt u. mit des Herrn Hilfe ging es. Damals hatten wir noch keine Traktoren; haben nur mit Pferden gearbeitet.

Anno 1934 wurde Kornelius der Arm verletzt: drehte um die Welle (Schaft) beim Häckselschneiden.

Anno 1951 verließen wir die Farm und zogen ins Städtchen Hague. Hörten auf mit Wirtschaften. Das uns schon recht eigen gewordene Haueschen u. einen Speicher schleppten wir hin, richteten alles neu ein, u. ein ganz neuer Lebensabschnitt begann.

Papa ging ausschaffen, wie man das hier zu Lande nennt. Meistens arbeitete er bei dem Bauunternehmer, John Löwen. auch Franz half beim bauen. Als er bis zur Pension war, gab er das Ausschaffen auf. Wir hatten unser bescheidenes Fortkommen; hatten ein eigenes, gemütliches Heim und waren dankbar.

Ein Mensch, der seinen Großvater nicht kennt, sinkt zum Pöbel herab und erlischt.                               Ein Volk, das von seiner Geschichte sich trennt Und wenn ihm Schmach auf der Stirne brennt, Wird von Gott von der Tafel gewischt.

-Silberhochzeit-

Am 29. August 1943 durften wir das schöne Fest unserer Silberhochzeit feiern. Es war ein sehr warmer Tag; – in unseren Herzen war’s noch wärmer. Viele Gäste waren erschienen, von nah’ u. fern. Auch an Geschenken fehlte es nicht. Von den Kindern erhielten wir eine Wand= uhr. Die braucht nur alle 8 Tage aufgezogen werden. Von Mariechen einen schönen Wandspruch: “Ich will euch tragen bis ins Alter, u. bis ihr grau werdet.”

-Unsere Goldene Hochzeit-

Am 25 August 1968 fand sie statt. Lange vorher schon wurde geplant, wie dieses Fest zu feiern, wie dem Herrn am besten unseren Dank darzubringen. Für die Kinder mit ihren Familien war dieses Fest eine willkommene Gelegenheit uns, den Eltern Großeltern Ihre Liebe und Dankbarkeit, nebst dem lieben Gott, zu beweisen.

Gast Autor

Lilli Klause

Kontakt: lilliklause82@gmail.com
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